Ausstellungsansichten von Alexander Schmidt/punctum, Leipzig 2022 und greater form

Der Albtraumvorhersager

...ist ein Monster, das alle Albträume auf der Welt kennt:
Alle Albträume, die in der Vergangenheit passiert sind.
Alle Albträume in der Zukunft, die noch passieren werden.

...lebt schon, seit die Welt entstanden ist.
Seit es ein einziges Leben gibt, das schlafen kann.

...studiert alle Albträume.

...kennt jeden einzelnen Menschen persönlich,
weil das Wesen in unseren Albträumen ist.

...tut dies für die Zukunft,
damit wir wissen, wer welchen Albtraum bekommt.

Das war schon immer so.

Erst seit es GREATER FORM gibt,
werden diese Albträume veröffentlicht - im Albtraumvorhersager!

Damit die Leute
nicht mehr mit den Albträumen klar kommen müssen,
weder psychisch
noch physisch,
nicht mehr zerstört werden von den Albträumen.

Damit die Leute
dann schon wissen,
was auf sie zukommt.

(Text: Fine)

 

2022 hat die documenta fifteen Kollektivität, Solidarität und soziales wie politisches Engagement als Dimensionen zeitgenössischer künstlerischer Produktionen weltweit ins Zentrum gestellt und dafür gesorgt, dass ein erweiterter Kunstbegriff im Kanon   angekommen ist. Der Albtraumvorhersager ist ein Beispiel dafür, wie kollektive Formen der Kunstproduktion in Leipzig aussehen können.

2022 stand bei greater form und den Kids aus Grünau im Zeichen der großen Frage nach der Zukunft. Kein Wunder, dass gerade in Zeiten wie diesen der Wunsch nach einem Albtraumvorhersager auftauchte, welcher im Verlauf des Jahres die Energie für vielfältigste Auseinandersetzungen lieferte. Gemeinsam begaben sie sich in die absurde Welt der (Alb-)Träume, trafen auf unheimliche Wesen und wanderten durch schleimige Tropfsteinhöhlen. Hier konnte persönlichen und kollektiven Ängsten und Krisen mit der Freude am Experimentieren und dem Äußern von Begehren in explodierenden Formen und Farben begegnet werden. Über mehrere Monate sind Gruppen- und Einzelarbeiten entstanden, die mit einem zentralen Gemeinschaftswerk – dem real gewordenen Albtraumvorhersager – in Verbindung stehen.  

Die Frage nach der Form der Ausstellung wurde von den Kids so beantwortet: „In einem Albtraum kann man sich nicht zurechtfinden – darum brauchen wir ein Labyrinth!” Die Besucher*innen wurden dazu eingeladen, das Labyrinth zu erkunden, sich darin zu verlieren und vielleicht sogar wiederzufinden.

Beim Ausstellungsaufbau waren die Kids beteiligt. Für die Eröffnung realisierten sie mehrere Aktionen, u.a. die Günter Lauch Bar sowie eine Schleimstation und eine Schminkstation, an der sie Erwachsene schminkten.

Der Katalog zur Ausstellung wurde zusammen mit den Kids erarbeitet. Er umfasst neben zahlreichen Ausstellungsansichten sowie Bildern vom Aufbau und der Eröffnung Kommentare der beteiligten Kids und Erwachsenen sowie eine ausführliche Prozessbeschreibung.

Außerdem im Katalog zu finden: ein Text zum Ansatz von greater form. die Eröffnungsreden von Carolin Rothmund (Leitung Kunstvermittlung MdbK) und Mirko Gust (Projektleitung greater form) sowie einen Text von Stefan Weppelmann (Direktor MdbK) und die Albträume der Besucher*innen, die sie in unserem Gästebuch hinterlassen haben.

Das Museum der Bildenden Künste Leipzig widmete sich mit der Ausstellung den Fragen: Welche Funktionen übernimmt  ein Kunstmuseum aktuell? Und was kann das Museum radikal erneuern?

Die Kooperation zwischen greater form und dem MdbK wird in 2023 weitergeführt.