Video Rami Hariri / greater form, Leipzig 2024
MIKROKOSMOS
Januar bis Dezember 2024
greater form Projektraum
Am Projekt und der Ausstellung waren beteiligt:
Ahmed, Alice, Amy, Anna, Antonia, Antonio, Babi, Beatrice, Ben, Christine, Daniel, Danci, Dilara, Eileen, Elian, Elisa, Emily, eine weitere Emily, Emma, Farah, Fatima, Felix, Fine, Finja, Isabell, Jamie, Jason, Jayden, Jina, Jonny, Josie, Kimmi, Kira, Lea, Leon, Lilly, Luis, Maike, Mari Silla, Martin, Max, ein weiterer Max, noch ein weiterer Max, Melisa, Mia, eine weitere Mia, noch eine weitere Mia, Minx, Mira, Mohammad, Moritz, Nati, Nick, Nico, Noah, Nolan, Oskar, Paco, Pazia, Phoebe, Robin, Ronny, Samah, Samira, Saskia, Selma, Sofia, Shaya, Tim, Umei, Valeria, Yunis, Zoé, Zoey,
zusammen mit Michel Esselbrügge, Mirko Gust, Rami Hariri, Ria Lescher, Matthes Nienkerk, Philipp Rödel, Chiara Rauhut, Silke Schetelig, Paula Tillmans, Christina Weidenbach von greater form
sowie die Nachbar*innen Christel, Erich, Eckardt, Petra und viele weitere.
Wie baut mensch eigentlich Kontakt zu Nachbar:innen auf? Wie ist ihr Erleben im Stadtteil? Welche Wünsche und Ängste, welche Hoffnungen und Vorurteile zirkulieren im Wohnblock? Welche Rolle spielt Kunst im Leben der Bewohner:innen? Welche Gemeinsamkeiten haben alle Beteiligten und was können wir gemeinsam auf die Beine stellen?
2024 haben sich greater form und die Kids aus dem Offenen Künstlerischen Angebot mit dem näheren Umfeld des gemeinsamen Projektraums in der Alten Salzstraße, dem Großwohnblock und seinen Bewohner:innen auseinandergesetzt. Wir erforschten zusammen die uns umgebenden Gemeinschaften künstlerisch und luden die Nachbarschaft in Aktionstagen zum Kennenlernen und Mitmachen ein. Das Projekt zielte darauf ab, Kinder und Jugendliche als Akteur:innen eines von ihnen mit verantworteten Community Buildings wirksam werden zu lassen, ihre Perspektive zu stärken und sichtbarer zu machen.
Erste Begegnungen im öffentlichen Raum
Bereits im Frühjahr begannen die Kids, Wege und Grünflächen vor dem Projektraum in der Alten Salzstraße aktiv zu nutzen: Es wurde getanzt, Theater gespielt, eine Wasser-Bar aufgebaut und eigene Kunstwerke angeboten. Diese Aktionen führten zu vielen kurzen Begegnungen mit Passant:innen und boten einen niederschwelligen Anlass für erste Kontakte und Austausch.
Gemeinsam entwickelte Aktionstage
Auf diesen Erfahrungen aufbauend entwickelten wir mit den Kids gezielte Aktionstage, um ihre Interessen mit denen der Nachbarschaft zu verknüpfen. Zentral war dabei die Idee, Anlässe zu schaffen, bei denen Kinder und Erwachsene etwas zusammen gestalten und sich kennenlernen können. Die Aktionstage hatten thematische Schwerpunkte:
Pflanzen: Inspiriert von den vielen bepflanzten Balkonen im Wohnblock entstand eine Pflanzen-Tausch-Bar mit kreativer Mitmach-Station.
Talente: Eine offene Bühne lud Kinder und Nachbar:innen ein, ihre Talente zu zeigen - von Tanz-Einlagen bis zu einer spontanen Gedicht-Rezitation war alles bei unserer Talente-Tausch-Bar dabei.
Spiele: Bei der Spiele-Tausch-Bar wurden Lieblingsspiele ausgetauscht und gemeinsam gespielt. Ein Nachbar lud zu einer Rätselrunde ein, bei der heute nicht mehr gebräuchliche Gegenstände im Mittelpunkt standen.
Alle Aktionen waren so gestaltet, dass eine spontane Teilnahme möglich war. Senior:innen aus dem benachbarten Mehrgenerationentreff nebenan beteiligten sich aktiv – z.B. durch das Mitbringen von Kuchen oder eigene Kreativangebote. So entstand eine Verbindung zwischen bestehenden Nachbarschaftsstrukturen und den Aktivitäten der Kinder.
Unterwegs im Stadtteil
Ergänzend dazu nahmen wir mit den Kids an Stadtteilfesten wie dem Nachbarschaftsfest des Mehrgenerationentreffs nebenan oder an Aktionen wie der Jugend-Demokratie-Party teil. Mit diesen Begegnungen wollten wir das Gefühl stärken, Teil einer größeren Gemeinschaft zu sein.
Community Building mit Kids
Das Projekt macht deutlich, wie viel Potenzial in Begegnungen zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aus der Nachbarschaft steckt. In Gesprächen und gemeinsamen Aktionen wurden persönliche Erfahrungen geteilt – von Alltagsgeschichten und dem Leben in Grünau bis hin zu Themen wie Rassismus oder Mobbing . Dies führte spürbar zu einem größeren Verständnis für- und einen vertrauensvollen Umgang miteinander. Zudem konnten sich alle Seiten als selbstwirksam erfahren: Die Kids machten ihre Themen sichtbar, übernahmen Verantwortung und luden zum Mitmachen ein. Einzelne Erwachsene wiederum brachten Ideen, Materialien und Wissen ein und zeigten Interesse an der Mitgestaltung des Projektraums.
MikroKosmos war somit nicht nur ein Experimentierfeld für kreative Begegnungsformate zwischen Kindern und Erwachsenen. Wir sammelten wichtige Erfahrungen, wie und unter welchen Bedingungen Kinder und Jugendliche zu aktiven Mitgestalter:innen ihres Lebens- raums werden und wie längerfristige Verbindungen zur Nachbarschaft entstehen können.
Eine dieser Erfahrungen möchten wir an einem Beispiel verdeutlichen:
Büro-Körper – Körper-Büro
In den Sommerferien luden wir die Kids zu einem künstlerischen Prozess ein, mit dem wir die vielen Einzelaktivitäten im Raum verbinden und Gruppenprozesse fördern wollten. Die Idee dazu entstand aus unseren bisherigen Beobachtungen und dem Umstand, dass zahlreiche neue Kinder den Projektraum für sich entdeckten. Sie probierten viele Materialien aus und bauten mit Begeisterung Buden – vor allem als Büros, die teilweise so klein waren, dass gerade so ein Körper hinein passte. Darin sahen wir vor allem den Wunsch nach einem eigenen Raum , den die Kids nach ihren Vorstellungen gestalten und verwalten können. Hier setzten wir an und entwickelten ein Setting, das eine spielerische Auseinandersetzung mit unserem Jahres-Thema ermöglichte. Damit jedes Kind einen individuellen Büro-Körper oder ein Körper-Büro bauen konnte, wählten wir Pappe als Hauptmaterial – flexibel, leicht umzugestalten und immer wieder neu zusammensetzbar. Es entstanden Papp-Kostüme, Boxen bis hin zu ganzen Häusern. Einige davon bekamen Hausnummern und die Kinder besuchten sich gegenseitig. Andere, wie z.B. ein “Donut Verkaufsstand”, bekamen spezifische Funktionen zugewiesen. So entstanden zahlreiche Raum- und Spielszenarien, an denen weit über die Sommerferien hinaus gearbeitet wurde.
Kinder brauchen sichere und selbstbestimmte Räume
Eine wichtige Beobachtung im Projekt war, wie sehr die Kids sichere Rückzugsorte brauchen. Die Auseinandersetzung mit ihrer Rolle in der Welt geschieht oft subtil, im Wechselspiel zwischen Gemeinschaft und dem Bedürfnis nach Eigenraum. Das gilt für das Heranwachsende generell. Für Kinder und Jugendliche, die in herausfordernden Lebenslagen, z.B. betroffen von Armut oder in Großfamilien auf begrenztem Wohnraum aufwachsen, umso mehr. Entscheidende Impulse für eine gelingende Community-Arbeit mit Kindern und Jugendlichen liegen darin, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken und Räume zu schaffen, in denen sie sich sicher fühlen; Räume, in denen sie mitbestimmen und die sie nach ihren Bedürfnissen gestalten können. Erst wenn diese gesichert sind, kann und will mensch sie auch mit anderen teilen. Künstlerische Prozesse können dabei einen geschützten Rahmen bieten, die Auseinandersetzung mit sich und der Welt zu erproben: offen, ohne Bewertung, vielfältig im ästhetischen wie symbolischen Ausdruck, kooperativ und dialogorientiert.
Gleichzeitig war im Projekt von Beginn an spürbar, dass die teilnehmenden Kids neugierig auf ihre Nachbarschaft waren, wenig Berührungsängste hatten und mit großem Engagement die Aktivitäten im Projektverlauf mit verantworteten – für uns wertvolle Erfahrungen und ein wertvoller Beitrag zum Community Building in der Nachbarschaft.
Kategorie: Kooperationen, Projekte, Projektraum